Der
frühkindliche Autismus, eine Form des
Autismus, die nach dem
ICD-10 vor dem dritten Lebensjahr beginnt, wird von der
Weltgesundheitsorganisation zu den
tiefgreifenden Entwicklungsstörungen gerechnet. Er tritt mit einer Häufigkeit von 1:1000 auf, wobei das Verhältnis von Jungen zu Mädchen 3:1 beträgt.
[1]
Der
frühkindliche Autismus ist auch unter den Bezeichnungen
Kanner-Syndrom,
Kanner-Autismus oder
infantiler Autismus bekannt. Er wurde zuerst von
Leo Kanner beschrieben. Kanner diagnostizierte 1943 bei elf Kindern eine „autistische Störung des affektiven Kontakts
Symptome und Beschwerden
Der
frühkindliche Autismus führt zu einer vielfältigen Art von Auffälligkeiten, besonders im Bereich der Entwicklung, des
Sozialverhaltens, der
Wahrnehmung und der
Kommunikation.
In manchen Fällen entwickeln sich die Kinder bereits in den ersten
Lebensmonaten auffällig. In anderen Fällen verläuft die frühkindliche
Entwicklung anfangs (scheinbar) normal, Auffälligkeiten werden teils
erst im zweiten oder dritten Lebensjahr sichtbar. Weiterhin gibt es den
Verlauf, dass es nach einer anfangs (scheinbar) normalen Entwicklung im
zweiten oder dritten Lebensjahr zu einem Verlust der bereits erworbenen
sozialen und kommunikativen Fähigkeiten kommt.
Fasst man die beiden international anerkannten Klassifikationssysteme
ICD-10 und DSM-IV zusammen, erkennt man folgende übereinstimmende
Merkmale:
Zudem wird im
ICD-10 als Merkmal noch „unspezifische Probleme wie Befürchtungen,
Phobien,
Schlaf- und
Essstörungen,
Wutausbrüche,
Aggressionen,
Selbstverletzungen“ aufgeführt.
Ein Merkmal des frühkindlichen Autismus ist u. a. die Abkapselung von
den Mitmenschen. Die Zuwendung zur Primärperson, die für dieses Alter
typisch ist, weist deutliche Störungen auf. Der Affekt ist indifferent,
die emotionale Schwingungsfähigkeit herabgesetzt. Im direkten Kontakt
ist ein verminderter Blickkontakt feststellbar.
[2] Für manche autistische Menschen ist es kaum möglich, eine
Beziehung zu Personen aufzubauen. Oft scheint es so, als zeigen sie mehr Freude bei der Beschäftigung mit Gegenständen als im
persönlichen Kontakt
zu Mitmenschen gleichen Alters. Andere zeigen Interesse am
Sozialkontakt, leiden dann aber oft darunter, dass sie aufgrund ihrer
Probleme im
Sozialverhalten bei anderen Menschen anecken und ausgegrenzt werden.
Veränderungsangst: teils reagieren autistische Menschen mit
Angst- und
Panikzuständen,
wenn sich etwas nur geringfügig im geregelten Tagesablauf verändert
oder Erwartungen (z. B. der Platz, an dem die Möbel stehen) nicht
erfüllt werden.
Kanner-Autisten haben meist starke
Sprachauffälligkeiten. Ungefähr 30 % der Kanner-autistischen Menschen können sich nicht
lautsprachlich äußern. Diejenigen, die sprechen können, haben oft Sprachauffälligkeiten (beispielsweise
monotone Sprachmelodie; wortwörtliches Verständnis von
Sprache). Im Allgemeinen sind
Artikulation und
Grammatik weniger betroffen, oft etwas stärker die
Semantik und oft ganz stark der sachgerechte Gebrauch der
Sprache, denn dieser bereitet oft am meisten Schwierigkeiten.
Bei Kindern fällt eine retardierte Sprachentwicklung auf. Typische Symptome sind
Echolalien,
Neologismen,
Iterationen
sowie pronominale Umkehr. Letzteres bedeutet, dass das Kind sich selbst
mit du bezeichnet und den Kommunikationspartner mit Ich anspricht.
[2]
Um die Sinneswahrnehmungen zu schulen, kann
Zeichnen bzw.
Malen als therapeutisches Mittel eingesetzt werden. Zur unterstützenden Kommunikation kann
Schreiben dienen. Ängste werden abgebaut, indem die Betroffenen auf dem
Computer oder Rechner sich schriftlich ausdrücken lernen oder mit
Tonbandaufnahmen und dem anschließenden Abspielen ihre Sprache trainieren.
Ursachen
Es weist sehr vieles darauf hin, dass Autismus
genetisch
bedingt ist, wobei wahrscheinlich mehrere Gene beteiligt sind. Wie und
mit welchen Zwischenschritten und unter welchen Bedingungen es von der
veränderten genetischen Ausgangslage zu den oben beschriebenen Symptomen
kommt, ist nicht genau bekannt. Konsens herrscht jedoch weitgehend
darüber, dass Autismus nicht – wie es noch in den 1960er Jahren
angenommen wurde – durch mütterliches Fehlverhalten (siehe unter:
Kühlschrankmutter) verursacht wird.
Folgen und Komplikationen
Der frühkindliche Autismus beeinträchtigt das
Leben
der Kanner-Autisten erheblich und erschwert die Möglichkeiten der
selbständigen Lebensführung. Für Kanner-Autisten ist es aufgrund der
Sprach- und
Kommunikationsschwierigkeiten, veränderten
Wahrnehmung und besonders aufgrund der dadurch bedingten Abkapselung von der Umwelt schwer, sich an die
soziale Umgebung anzupassen,
Freunde zu finden oder sich in den Rahmen einer
Schule oder einer
Familie zu fügen. Die
Erziehung eines autistischen Kindes stellt die
Eltern vor große Schwierigkeiten und ist häufig mit sehr viel
Stress
verbunden. Auch nur leicht autistische Menschen geraten in Gefahr, bei
den Menschen in ihrer Umgebung anzuecken, weil sie etwa die
sozialen Regeln nicht kennen oder sie nicht anwenden können. Viele Kanner-autistische Menschen sind auf intensive und lebenslange
Betreuung angewiesen (siehe unter:
Autismus).